Es gibt keine Maikäfer mehr von Reinhard MEY
  Wenn ich vor dem neuen Parkhaus stehe, denk ich manchmal  dran,
  Wie das früher hier mal aussah, ehe der große Bau begann:
  Da, gleich an der Einfahrt, an der Kasse, da war Schlüters Haus
  Und gleich dort, neben der Schranke, da wohnte die alte Kraus.
  Bei der stieg ich regelmäßig jedes Frühjahr übern Zaun,
  Und genauso regelmäßig wurde ich dafür verhaun.
  In den Garten wagten sich die Nachbarskinder nicht und so
  Gabs darin zur Maikäferzeit viel mehr als sonst anderswo.
  Ich seh mich noch heute losziehn mit dem großen  Schuhkarton,
  Mit den Luftlöchern im Deckel zu mancher Expedition;
  Und ich rüttelte an Bäumen, und ich wühlte auch im Moos,
  Die Erfolge waren prächtig und mein Trickreichtum war groß.
  Würd ich heut noch einmal losziehn, blieb mein  Schuhkarton wohl leer;

  Selbst ein guter Käferjäger
  Brächte keinen Schornsteinfeger,
  Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
  Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr!

  Hin und wieder sah der alte Schlüter meine Beute an.
  Der war Maikäferexperte und erinnerte sich dran,
  Daß die Käfer damals eine Plage waren, daß sogar
  Dem, der die meisten einfing, eine Prämie sicher war,
  Daß die Kinder schulfrei kriegten für den Maienkäferfang,
  Und er sagte, daß ihm damals mancher schöne Coup gelang.
  Und die Zahlen, die er nannte, die beeindruckten mich tief,
  So daß ich mit meiner Beute fast beschämt nach Hause lief.
  Wenn ich heut noch einmal halb so viel wie damals fangen  könnt,
  Würd ich wohl zum König aller Maikäfersucher gekrönt.
  Nicht, daß ich vergessen hätte, wie und wo man welche fängt,
  Oder aus dem Alter raus bin, wo es einen dazu drängt.
  Nein, würd ich noch einmal losziehn, blieb mein  Schuhkarton wohl leer;

  Selbst ein guter Käferjäger
  Brächte keinen Schornsteinfeger,
  Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
  Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr!

  Es gibt wichtigere Dinge, aber ich schreibe trotzdem
  Auf ein Birkenblatt die Noten für ein Käferrequiem.
  Es gibt sicher ein Problem, dessen Erforschung sich mehr lohnt
  Als, warum denn heut im Parkhaus wohl kein Maikäfer mehr  wohnt.
  Warum kriecht im Eichbaum, der davorsteht, keiner im Geäst?
  Wenn mir diese Frage letzten Endes keine Ruhe läßt,
  Dann vielleicht, weil ich von ihnen einst gelernt hab, wie man  summt,
  Wie man kratzt und wie man krabbelt, wie man zählt und wie man  brummt,
  Wie man seine Fühler ausstreckt und natürlich, weil ich find,
  Daß sie irgendwie entfernte Namensvettern von mir sind.
  Vielleicht ängstigt mich ihr Fortgehn, denn vielleicht  schließ ich daraus,
  Vielleicht gehn uns nur die Maikäfer ein kleines Stück voraus.
  Denn würd ich noch einmal losziehn, blieb mein Schuhkarton  wohl leer;

  Selbst ein guter Käferjäger
  Brächte keinen Schornsteinfeger,
  Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser her:
  Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt keine Maikäfer mehr! 
   

Die Qualität der folgenden MIDI-Sequenz hängt vom MIDI-Player ab, die der Browser verwendet. Darum kann es sinnvoll sein sie erst abzuspeichern (rechte Maustaste und "Ziel speichern unter..." bzw. "Verknüfung speichern unter...") und dann erst anzuhören.