Wenn ich vor dem neuen Parkhaus stehe, denk
ich manchmal dran,
Wie das früher hier mal aussah, ehe
der große Bau begann:
Da, gleich an der Einfahrt, an der Kasse,
da war Schlüters Haus
Und gleich dort, neben der Schranke, da wohnte
die alte Kraus.
Bei der stieg ich regelmäßig jedes
Frühjahr übern Zaun,
Und genauso regelmäßig wurde ich
dafür verhaun.
In den Garten wagten sich die Nachbarskinder
nicht und so
Gabs darin zur Maikäferzeit viel mehr
als sonst anderswo.
Ich seh mich noch heute losziehn mit dem
großen Schuhkarton,
Mit den Luftlöchern im Deckel zu mancher
Expedition;
Und ich rüttelte an Bäumen, und
ich wühlte auch im Moos,
Die Erfolge waren prächtig und mein
Trickreichtum war groß.
Würd ich heut noch einmal losziehn,
blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser
her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt
keine Maikäfer mehr!
Hin und wieder sah der alte Schlüter
meine Beute an.
Der war Maikäferexperte und erinnerte
sich dran,
Daß die Käfer damals eine Plage
waren, daß sogar
Dem, der die meisten einfing, eine Prämie
sicher war,
Daß die Kinder schulfrei kriegten für
den Maienkäferfang,
Und er sagte, daß ihm damals mancher
schöne Coup gelang.
Und die Zahlen, die er nannte, die beeindruckten
mich tief,
So daß ich mit meiner Beute fast beschämt
nach Hause lief.
Wenn ich heut noch einmal halb so viel wie
damals fangen könnt,
Würd ich wohl zum König aller Maikäfersucher
gekrönt.
Nicht, daß ich vergessen hätte,
wie und wo man welche fängt,
Oder aus dem Alter raus bin, wo es einen
dazu drängt.
Nein, würd ich noch einmal losziehn,
blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser
her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt
keine Maikäfer mehr!
Es gibt wichtigere Dinge, aber ich schreibe
trotzdem
Auf ein Birkenblatt die Noten für ein
Käferrequiem.
Es gibt sicher ein Problem, dessen Erforschung
sich mehr lohnt
Als, warum denn heut im Parkhaus wohl kein
Maikäfer mehr wohnt.
Warum kriecht im Eichbaum, der davorsteht,
keiner im Geäst?
Wenn mir diese Frage letzten Endes keine
Ruhe läßt,
Dann vielleicht, weil ich von ihnen einst
gelernt hab, wie man summt,
Wie man kratzt und wie man krabbelt, wie
man zählt und wie man brummt,
Wie man seine Fühler ausstreckt und
natürlich, weil ich find,
Daß sie irgendwie entfernte Namensvettern
von mir sind.
Vielleicht ängstigt mich ihr Fortgehn,
denn vielleicht schließ ich daraus,
Vielleicht gehn uns nur die Maikäfer
ein kleines Stück voraus.
Denn würd ich noch einmal losziehn,
blieb mein Schuhkarton wohl leer;
Selbst ein guter Käferjäger
Brächte keinen Schornsteinfeger,
Keinen Müller, erst recht keinen Kaiser
her:
Es gibt keine Maikäfer mehr, es gibt
keine Maikäfer mehr!
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