Die monatliche Blutung ist Ausdruck von Weiblichkeit, Fruchtbarkeit
und Empfänglichkeit. Die Frau ist diesem Rhythmus ausgeliefert. Sie
muß sich ihm fügen mit all seinen Einschränkungen. Mit
diesem Fügen berühren wir einen zentralen Bereich der Weiblichkeit:
die Hingabefähigkeit. Wenn wir hier von Weiblichkeit sprechen, so
ist das umfassende Prinzip des weiblichen Poles in der Welt gemeint, wie
es die Chinesen beispielsweise »Yin« nennen, die Alchimisten
durch den Mond symbolisieren oder die Tiefenpsychologie mit dem Symbol
des Wassers ausdrückt. Jede Frau ist unter diesem Gesichtspunkt nur
eine konkrete Erscheinungsform des archetypisch Weiblichen. Das weibliche
Prinzip ließe sich definieren durch seine Aufnahmefähigkeit.
So heißt es im »I Ging«: »Der Weg des Schöpferischen
wirkt das Männliche, der Weg des Empfangenden wirkt das Weibliche.«
Und an anderer Stelle: »Das Empfangende ist das Allerhingebendste
in der Welt.
Die Hingabefähigkeit ist die zentrale Eigenschaft des Weiblichen;
sie ist die Grundlage aller weiteren Fähigkeiten, wie Sich-Öffnen,
Aufnehmen, Empfangen, Bergen. Hingabefähigkeit umschließt gleichzeitig
den Verzicht auf aktives Tun. Betrachten wir die archetypischen Symbole
der Weiblichkeit, den Mond und das Wasser. Beide verzichten darauf, selbst
aktiv zu strahlen und abzugeben, wie dies ihre Gegenpole Sonne und Feuer
tun. Dadurch werden sie fähig, das Licht und die Wärme aufzunehmen,
hereinzulassen und zu reflektieren. Das Wasser verzichtet auf eigene Formansprüche
- es nimmt jede Form an. Es paßt sich an, gibt sich hin.
Hinter der Polarität Sonne und Mond - Feuer und Wasser - männlich
und weiblich - steht keinerlei Wertung. Eine Wertung wäre auch absolut
sinnlos, da jeder Pol allein nur halb und unheil ist - fehlt ihm doch zur
Ganzheit der andere Pol. Diese Ganzheit wird aber nur erreicht, wenn beide
Pole ihre spezifische Eigenart voll repräsentieren. Bei manchen emanzipatorischen
Argumentationen werden diese archetypischen Gesetze leicht übersehen.
Es ist schlicht dumm, wenn sich das Wasser darüber beschwert, daß
es nicht brennen und leuchten kann und daraus seine Minderwertigkeit ableitet.
Gerade weil es nicht brennen kann, kann es aufnehmen, worauf wiederum das
Feuer verzichten muß. Das eine ist nicht besser und nicht schlechter
als das andere, aber es ist anders. Aus dieser Andersartigkeit der Pole
entsteht die Spannung, die »Leben« heißt. Durch Nivellierung
der Pole erreicht man keine Gegensatzvereinigung. Eine Frau, die ihre eigene
Weiblichkeit voll akzeptiert hat und sie lebt, wird sich niemals »minderwertig«
fühlen.
Das »Nicht-Ausgesöhnt-Sein« mit der eigenen Weiblichkeit
ist jedoch der Hintergrund der meisten Regelstörungen bzw. vieler
anderer Symptome im Sexualbereich. Die Hingabefähigkeit, das Ein-verstanden-Sein
ist für den Menschen immer eine schwere Aufgabe, verlangt es doch
Verzicht auf das Ich-will, Verzicht auf unsere Egodominanz. Man muß
etwas von seinem Ego opfern, einen Teil von sich opfern, einen Teil von
sich hergeben - genauso wie es die monatliche Regel von der Frau verlangt.
Denn mit dem Blut opfert die Frau etwas Lebenskraft von sich. Die Regel
ist eine kleine Schwangerschaft und eine kleine Geburt. In dem Maße,
wie eine Frau mit dieser »Regelung« nicht einverstanden ist,
entstehen Regelstörungen oder Regelbeschwerden. Sie deuten darauf
hin, daß eine (häufig nicht bewußte) Instanz der Frau
sich eben nicht hingeben will: der Regel, dem Sex, dem Mann. Genau an dieses
rebellierende »Ich-will-aber-nicht« wendet sich zielbewußt
die Werbung für Menstruationsbinden und Tampons. Sie verspricht, daß
man beim Gebrauch des jeweiligen Produkts unabhängig würde und
trotz der Tage alles tun könne, was man wolle. So wendet sich die
Werbung geschickt an den eigentlichen Konfliktpunkt der Frau: Zwar Frau
sein - aber nicht einverstanden sein mit dem, was Frau-sein mit sich bringt.
Wer die Regel schmerzhaft erlebt, erlebt sein Frau-sein schmerzhaft.
So kann man von Regelproblemen immer auch auf Sexualprobleme schließen,
denn der Protest gegen die Hingabe, der sich bei der Regelstörung
zeigt, verhindert auch im Geschlechtsleben das Loslassen. Wer beim Orgasmus
loslassen kann, kann auch bei der Regel loslassen. Der Orgasmus ist ebenso
ein kleiner Tod wie das Einschlafen. Auch die Regelblutung ist ein kleiner
Sterbeprozeß, denn Gewebe stirbt ab und wird deshalb abgestoßen.
Sterben ist aber nichts anderes als die Aufforderung, von seiner Ich-Verkrampfung
und deren Machtspiel loszulassen und geschehen zu lassen. Der Tod bedroht
immer nur das Ego, nie den Menschen selbst. Wer sich am Ego festhält,
erlebt den Tod als Kampf. Der Orgasmus ist ein kleiner Tod, denn er verlangt
ebenfalls das Loslassen vom Ich. Denn der Orgasmus ist ja die Einsendung
von Ich und Du, was eine Öffnung der Ich-Grenze voraussetzt. Wer am
Ich festhält, erlebt keinen Orgasmus (das gleiche gilt für das
Einschlafen, siehe späteres Kapitel). Die Gemeinsamkeit von Tod, Orgasmus,
Monatsblutung sollte klar sein: Es ist die Hingabefähigkeit, die Bereitschaft,
einen Teil des Egos zu opfern.
Es ist verständlich, warum, wie wir bereits sahen, Magersüchtige
meist keine Regel oder aber erhebliche Regelstörungen haben: Ihr verdrängter
Dominanzanspruch ist zu groß, um einverstanden zu sein. Sie haben
Angst vor ihrer Weiblichkeit, Angst vor Sexualität, Fruchtbarkeit
und Mutterschaft. Es ist bekannt, daß es in Situationen großer
Angst und Unsicherheit, bei Katastrophen, in Gefängnissen, Arbeitsdienstlagern
und Konzentrationslagern besonders häufig zum Aussetzen der Periode
kommt (Sekundäre Amenorrhoe). All diese Situationen sind naturgemäß
wenig geeignet für das Thema »Hingabe«, vielmehr fordern
sie auch die Frau auf, jetzt ihren Mann zu stehen, aktiv zu werden und
sich durchzusetzen.
Noch einen weiteren Bezug der Menstruation dürfen wir nicht übersehen:
Die Monatsblutung ist Ausdruck der Fähigkeit, Kinder zu kriegen. Die
monatlich einsetzende Regel wird emotional sehr unterschiedlich erlebt,
je nachdem, ob eine Frau sich ein Kind wünscht oder nicht. Wünscht
sich eine Frau ein Kind, so zeigt ihr die einsetzende Regel, daß
»es wieder einmal nicht geklappt hat«. In diesen Fällen
erleben wir primär Unwohlsein und schlechte Laune vor und während
der Periode. Die Blutung wird »schmerzlich« registriert. Diese
Frauen bevorzugen auch unsichere Verhütungsmethoden - es ist der Kompromiß
zwischen dem unbewußten Kinderwunsch und einem Alibi. Hat die Frau
Angst vor einem Kind, so sehnt sie sich die Regel herbei, was prompt zu
einer Verzögerung führen kann. Häufig kommt es dann zu sehr
langen Blutungen, was unter Umständen auch zur Verhinderung von Sex
eingesetzt werden kann. Grundsätzlich kann - wie jedes Symptom - auch
die Regel als Machtinstrument eingesetzt werden, sei es, um Sex zu verhindern,
sei es, um Zuwendung und Zärtlichkeit zu erhalten.
Die Regel wird korporal gesteuert von dem Zusammenspiel des weiblichen
Hormons Östrogen und des männlichen Hormons Gestagen. Dieses
Zusammenspiel entspricht einer »Sexualität auf der hormonalen
Ebene«. Ist diese »Hormonsexualität« gestört,
ist auch die Regel gestört. Störungen dieser Art sind nur schwerlich
durch medikamentöse Hormongaben zu heilen, denn die Hormone sind lediglich
stoffliche Repräsentanten der männlichen und weiblichen Seelenanteile.
Heilung kann man nur durch die Aussöhnung mit der eigenen Geschlechtsrolle
finden, denn sie ist die Voraussetzung, um danach den gegengeschlechtlichen
Pol in sich einmal verwirklichen zu können.