Aus dem Buch => Krankheit als Weg  von Rüdiger Dahlke und Thorwald Dethlefsen

zum => Krankheitsregister
 

Die Infektion


Die Infektion stellt eine der häufigsten Grundlagen krankhafter Prozesse im menschlichen Körper dar.
Die meisten akut auftretenden Symptome sind Entzündungen, von der Erkältung angefangen über die Lungenentzündung bis zu Cholera und Pocken. Bei den lateinischen Krankheitsnamen verrät uns immer die Endung itis, daß es sich um einen entzündlichen Prozeß handelt (Colitis, Hepatitis etc.). Auf dem großen Gebiet der Infektionskrankheiten hat die moderne Schulmedizin auch ihre großen Erfolge errungen durch die Entdeckung der Antibiotika (z.B. Penicillin) und die Impfung. Starben früher noch die meisten Menschen an den Folgen einer Infektion, so gehört dies heute in den medizinisch gut versorgten Ländern eher zur Ausnahme. Das heißt nicht, daß wir weniger Infektionen durchmachen, sondern lediglich, daß wir zu deren Bekämpfung gute Waffen bereitstehen haben.
Wem diese (allerdings übliche) Terminologie etwas sehr »kriegerisch« vorkommt, sollte nicht übersehen, daß es sich beim entzündlichen Prozeß tatsächlich um einen »Krieg im Körper« handelt: Eine gefährlich werdende Übermacht von feindlichen Erregern (Bakterien, Viren, Toxinen) wird von den Abwehrsystemen des Körpers angegriffen und bekämpft. Diese Auseinandersetzung erleben wir in Symptomen wie Schwellung, Rötung, Schmerz und Fieber. Gelingt dem Körper schließlich der Sieg über die eingedrungenen Erreger, so hat man die Infektion überstanden, siegen die Erreger, so stirbt der Patient. An diesem Beispiel sollte es besonders leicht möglich sein, die Analogie, das heißt, die Entsprechung von Entzündung und Krieg, schnell nachzuvollziehen. Analogie meint hier, daß sowohl Krieg als auch Entzündung obwohl kein kausaler Zusammenhang zwischen beiden besteht die gleiche innere Struktur aufweisen und sich in beiden das gleiche Prinzip verwirklicht, lediglich auf unterschiedlicher Manifestationsebene.
Die Sprache weiß um diese inneren Zusammenhänge sehr wohl. Das Wort Entzündung enthält ja bereits den berühmten »zündenden Funken«, der ein ganzes Pulverfaß zum Explodieren bringen kann. Der entsprechende englische Ausdruck inflammation heißt wörtlich Entflammung. Damit befinden wir uns aber inmitten von sprachlichen Bildern, die wir auch für kriegerische Auseinandersetzungen verwenden: Ein schwebender Konflikt flammt (oder flackert) wieder auf , man legt Feuer an die Lunte, die Brandfackel wird in ein Haus geworfen, Europa ging in Flammen auf usw. Bei so viel Zündstoff kommt es meist früher oder später zur Explosion, in der sich etwas Aufgestautes plötzlich entlädt, was wir nicht nur im Krieg, sondern auch in unserem Körper beobachten können, wenn sich ein kleiner Pickel oder auch ein großer Abszeß entlädt (und entleert).
Für unsere weiteren Überlegungen ist es wichtig, noch eine weitere Analogieebene mit einzubeziehen, nämlich die Psyche. Auch ein Mensch kann explodieren. Doch bei diesem Ausdruck denken wir nicht an einen Abszeß, sondern meinen eine emotionale Reaktion, in der sich ein innerer Konflikt zu befreien sucht. Wir werden im folgenden diese drei Ebenen »Psyche Körper Nationen« ständig synchron betrachten, um die exakte Analogie zwischen Konflikt, Entzündung, Krieg sehen zu lernen, die den Schlüssel zum Verständnis der Krankheit schlechthin darstellt.
Die Polarität unseres Bewußtseins stellt uns Menschen ständig in den Konflikt, in das Spannungsfeld zwischen zwei Möglichkeiten. Ständig müssen wir uns entscheiden (dieser Begriff meint ursprünglich, das Schwert zum Kampf aus der Scheide ziehen!), ständig auf die eine Möglichkeit verzichten, wollen wir die andere Möglichkeit verwirklichen. So fehlt uns immer etwas, sind wir immer unheil. Wohl dem, der diese ständige Spannung, die Konflikthaftigkeit des Menschseins sich eingestehen kann und spürt, denn die meisten Menschen neigen dazu, zu glauben, daß das Nichtsehen und Nichtspüren eines Konfliktes ein sicheres Zeichen dafür sei, keine Konflikte zu haben. Mit der gleichen Naivität glauben kleine Kinder daran, man könne sich durch das Schließen der Augen unsichtbar machen. Doch Konflikte kümmern sich nicht darum, ob man sie wahrnimmt oder nicht, sie sind immer da. Wer jedoch nicht bereit ist, seine Konflikte in seinem Bewußtsein zu ertragen, zu bearbeiten und allmählich einer Lösung entgegenzuführen, bei dem sinken die Konflikte in die Körperlichkeit und werden als Entzündung sichtbar. Jede Infektion ist ein stofflich gewordener Konflikt. Die in der Psyche gemiedene Auseinandersetzung (mit all ihren Schmerzen und Gefahren) erzwingt sich auf der Körperebene ihre Berechtigung als Entzündung.
Betrachten wir diesen Prozeß in seinem Ablauf sowie in seinen Entsprechungen auf den drei Ebenen Entzündung, Konflikt, Krieg:
1. Reiz: Die Erreger dringen ein. Es kann sich dabei um Bakterien, Viren oder Gifte (Toxine) handeln. Dieses Eindringen ist nicht so sehr wie viele Laien immer glauben vom Vorhandensein der Erreger abhängig, sondern vielmehr von der Bereitschaft des Körpers, diese Erreger hereinzulassen. Die Medizin nennt dies eine schlechte Immunlage. Das Problem der Infektion besteht nicht wie die Sterilitätsfanatiker immer glauben im Vorhandensein von Erregern, sondern in der Fähigkeit, mit ihnen leben zu können. Bereits diese Aussage läßt sich fast wörtlich auf die Bewußtseinsebene anwenden, denn auch hier kommt es nicht darauf an, daß der Mensch in einer keimfreien, das heißt problem- und konfliktfreien Welt lebt, sondern daß er fähig ist, mit den Konflikten zu leben. Daß die lmmunitätslage psychisch gesteuert wird, bedarf wohl in diesem
Zusammenhang keiner größeren Ableitung, nachdem sogar im wissenschaftlichen Lager dieser Zusammenhang immer deutlicher erforscht wird (Streßforschung usw.).
Viel eindrucksvoller allerdings ist es, diese Zusammenhänge bei sich selbst aufmerksam zu beobachten. Wer also sein Bewußtsein für einen Konflikt, der ihn sehr erregen würde, nicht öffnen will, muß statt dessen seinen Körper für Erreger öffnen. Diese Erreger setzen sich an bestimmten Schwachstellen des Körpers fest, welche loci minoris resistentiae(lat. = Orte mit geringerer Widerstandsfähigkeit) genannt und von der Schulmedizin als angeborene bzw. vererbte Schwächen angesehen werden. Wer nicht analog denken kann, verwickelt sich an dieser Stelle meist in einen unlösbaren theoretischen Konflikt. Die Schulmedizin reduziert die Anfälligkeit bestimmter Organe für Entzündungen auf diese angeborene Organschwäche, was scheinbar eine weitere Deutung oder Interpretation unmöglich macht. Der Psychosomatik fiel allerdings schon immer auf, daß bestimmte Problembereiche mit bestimmten Organen korrelieren, sie geriet aber mit diesem Konzept in Widerspruch zur schulmedizinischen Theorie der loci minoris resistentiae.
Dieser scheinbare Widerspruch löst sich jedoch schnell auf, wenn wir von einem dritten Punkt aus den Streit betrachten. Der Körper ist sichtbarer Ausdruck des Bewußtseins, so, wie ein Haus sichtbarer Ausdruck der Idee des Architekten ist. Idee und Manifestation entsprechen einander, so wie eine Fotografie dem Negativ entspricht, ohne das gleiche zu sein. So entspricht jeder Körperteil und jedes Organ einem bestimmten psychischen Inhalt, einer Emotion und einem bestimmten Problemkreis (auf diesen Entsprechungen bauen beispielsweise Physiognomie, Bioenergetik, psychische Massagetechniken und ähnliches auf). Ein Mensch inkarniert mit einem bestimmten Bewußtsein, dessen momentaner Stand Ausdruck seiner bisherigen Lerngeschichte ist. Er bringt ein bestimmtes Muster von Problembereichen mit, deren stufenweise Herausforderung und Aufforderung, sie zu lösen, seinen Schicksalsweg gestalten werden, denn Charakter + Zeit = Schicksal. Charakter ist weder vererbt noch durch Umwelt geprägt, sondern er wird »mitgebracht« er ist Ausdruck des Bewußtseins, das inkarniert.
Diese Bewußtseinslage mit den spezifischen Problemkonstellationen und Lebensaufgaben ist das, was beispielsweise die Astrologie über den Umweg der Messung von Zeitqualität symbolisch im Horoskop darstellt. (Näheres hierzu siehe »Schicksal als Chance«.) Wenn aber der Körper Ausdruck des Bewußtseins ist, so findet sich auch in ihm das entsprechende Muster wieder. Das heißt aber auch, daß besondere Problembereiche ihre körperliche bzw. organische Entsprechung in einer bestimmten Anfälligkeit haben. Diesen Zusammenhang benützt beispielsweise die Irisdiagnostik, ohne jedoch bisher die mögliche psychologische Korrelation zu beachten.
Der locus minoris resistentiae ist jenes Organ, das immer dann den Lernprozeß auf körperlicher Ebene übernehmen muß, wenn der Mensch das dem Organ entsprechende psychische Problem nicht bewußt bearbeitet. Welches Organ welchem Problem entspricht, wollen wir im weiteren Verlauf dieses Buches schrittweise klären. Wer diese Entsprechungen kennt, dem erschließt sich eine ganz neue Dimension hinter dem Krankheitsgeschehen, auf die all diejenigen verzichten müssen, die es nicht wagen, vom kausalen Denksystem loszulassen.
Betrachten wir weiterhin den Verlauf der Entzündung, ohne den Ort des Geschehens hier bereits mitzudeuten, so sehen wir, daß in der ersten Phase (Reiz) die Erreger in den Körper eindringen. Diesem Vorgang entspricht auf der psychischen Ebene die Herausforderung durch ein Problem. Ein Impuls, mit dem wir uns bisher noch nicht auseinandergesetzt haben, drängt durch die Abwehr unserer Bewußtseinsgrenze und erregt uns. Er entzündet die Spannung einer Polarität, die wir nunmehr als Konflikt bewußt erleben. Funktioniert unsere psychische Abwehr sehr gut, so kann der Impuls unser Oberbewußtsein nicht erreichen, wir sind immun für die Herausforderung und damit auch gegen Erfahrung und Entwicklung.
Auch hier gilt das Entweder-Oder der Polarität: Verzichten wir auf die Abwehr im Bewußtsein, bleibt die körperliche Immunität erhalten, ist unser Bewußtsein aber immun gegen neue Impulse, so wird der Körper aufnahmebereit für die Erreger. Der Erregung können wir nicht entgehen, wir können nur die Ebene wählen. Auf der Ebene des Krieges entspräche dieser ersten Reizphase das Eindringen von Feinden in ein Land (Grenzverletzung). Ein solcher Angriff  lenkt selbstverständlich die gesamte militärische und politische Aufmerksamkeit auf die feindlichen Eindringlinge, alle werden überaktiv, wenden alle ihre Energie diesem neuen Problem zu, sammeln Truppen, machen mobil, halten Ausschau nach Verbündeten kurz, man konzentriert sich auf den Unruheherd. Im Körpergeschehen nennt man diesen Vorgang
2. Exudationsphase: Die Erreger haben sich festgesetzt und bilden einen Entzündungsherd. Von allen Seiten fließt Gewebswasser zu, und wir erleben die Schwellung des Gewebes und spüren meist die Spannung. Verfolgen wir unseren psychischen Konflikt bis in diese zweite Phase, so wächst auch hier die Spannung. Unsere ganze Aufmerksamkeit zentriert sich um das neue Problem wir können an nichts anderes mehr denken, es verfolgt uns Tag und Nacht, wir reden über kein anderes Thema mehr all unsere Gedanken kreisen ohne Unterlaß um dieses eine Problem. Auf diese Weise fließt fast unsere gesamte psychische Energie in den Konflikt, wir nähren buchstäblich das Problem, blähen es auf, bis es übermächtig angeschwollen wie ein unüberwindbarer Berg vor uns steht. Der Konflikt hat all unsere psychischen Kräfte mobilisiert und an sich gebunden.
3. Abwehrreaktion: Der Körper bildet aufgrund der Erreger (= Antigene) spezifische Antikörper (Bildung im Blut und im Knochenmark). Lymphozyten und Granulozyten bilden einen Wall um die Erreger, den sogenannten Granulozytenwall, und die Makrophagen beginnen die Erreger aufzufressen. Der Krieg auf der Körperebene ist also im vollen Gang: Die Feinde werden umzingelt und angegriffen. Läßt sich der Konflikt nicht auf der lokalen Ebene lösen (begrenzter Krieg), so kommt es zur Generalmobilmachung: Das ganze Volk ist am Krieg beteiligt und stellt seine gesamte Aktivität in den Dienst der Auseinandersetzung. Im Körper erleben wir diese Situation als
4. Fieber: Durch den Angriff der Abwehrkräfte werden Erreger zerstört, und die dabei freiwerdenden Gifte führen zur Fieberreaktion. Im Fieber beantwortet der ganze Körper die lokale Entzündung durch generalisierte Temperaturerhöhung. Pro 1 Grad Fieber verdoppelt sich die Stoffwechselrate, woraus ersichtlich ist, in welchem Maße Fieber die Abwehrvorgänge intensiviert. Deshalb sagt auch eine Volksweisheit, daß Fieber gesund ist. So korreliert die Höhe des Fiebers mit der Schnelligkeit des Krankheitsverlaufes. Deshalb sollte man alle Fieber senkenden Maßnahmen getrost auf die lebensgefährlichen Grenzwerte beschränken und nicht jeden Temperaturanstieg mit panischer Angst künstlich senken.
Auf der psychischen Ebene hat der Konflikt in dieser Phase unser ganzes Leben und unsere ganze Energie absorbiert. Die Ähnlichkeiten zwischen dem körperlichen Fieber und einer psychischen Erregung sind auffallend genug, so daß wir auch davon reden, einer Sache entgegenzufiebern oder uns in fiebriger Erwartung oder Spannung befinden. (Der bekannte Popsong »Fieber« verarbeitet diese Doppelbedeutung des Wortes.) So wird uns vor Erregung ganz heiß, unser Herzschlag steigt, man wird ganz rot (sei es Liebe oder Zorn...), man schwitzt vor Aufregung und zittert vor Anspannung. All das ist nicht gerade angenehm aber gesund. Denn nicht nur Fieber ist gesund, noch gesünder ist die Auseinandersetzung mit Konflikten und dennoch versucht man allerorten, Fieber wie Konflikte möglichst im Keim zu ersticken und ist auch noch stolz auf die Künste des Unterdrückens (...wenn Unterdrückung nur nicht so viel Spaß machen würde!).
5. Lyse (Lösung): Nehmen wir an, die Abwehrkräfte des Körpers waren erfolgreich: Sie haben die Fremdkörper zurückgedrängt, zum Teil inkorporiert (aufgefressen!), so kommt es zum Zerfall von Abwehrkörpern und Erregern, das Ergebnis ist der gelbe Eiter (Verluste auf beiden Seiten!). Die Erreger verlassen in umgewandelter, entschärfter Form den Körper. Doch auch der Körper ist dadurch verwandelt worden, denn er besitzt jetzt a) die Information der Erreger, dies nennt man die »spezifische Immunität«, und b) sind seine gesamten Abwehrkräfte trainiert und damit auch gestärkt worden, dies wird »unspezifische Immunität« genannt. Militärisch entspricht dem der Sieg der einen Seite, nachdem es Verluste auf beiden Seiten gegeben hat. Der Sieger geht dennoch gestärkt aus der Auseinandersetzung hervor, da er sich auf den Gegner eingestellt hat, ihn jetzt kennt und in Zukunft spezifisch auf ihn reagieren kann.
6. Tod: Nun kann es aber auch sein, daß die Erreger den Sieg in der Auseinandersetzung davontragen, was zum Tod des Patienten führt. Daß wir dieses Ergebnis für die ungünstigere Lösung halten, liegt lediglich an unserer einseitigen Parteinahme es ist auch hier wie beim Fußball: Es kommt lediglich darauf an, mit welcher Mannschaft man sich identifiziert. Sieg ist Sieg, gleichgültig, welche Seite ihn für sich verbuchen kann und der Krieg ist auch in diesem Falle beendet. Der Jubel ist auch diesmal groß, aber auf der Gegenseite.
7. Die Chronifizierung: Gelingt es keiner der beiden Seiten, den Konflikt in ihrem Sinne zu lösen, so kommt es zu einem Kompromiß zwischen den Erregern und den Abwehrkräften: Die Erreger bleiben im Körper, ohne zu siegen (Tod), aber auch ohne vom Körper besiegt zu werden (Heilung im Sinne einer »restitutio ad integrum«). Wir haben das Bild einer Chronifizierung. Symptomatisch drückt sich dies aus in ständig erhöhten Zahlen der Lympho- und Granulozyten, der Antikörper, in leicht erhöhter Blutsenkung (BSG) und etwas Temperatur. Die nicht bereinigte Situation bildet einen Herd im Körper, an dem nun ständig Energie gebunden ist, die dem Rest des Organismus fehlt: Der Patient fühlt sich abgeschlagen, müde, antriebslos, lustlos, apathisch. Er ist nicht ganz krank und nicht ganz gesund, kein echter Krieg und kein echter Friede, eben ein Kompromiß und als solcher faul wie alle Kompromisse dieser Welt. Der Kompromiß ist das hohe Ziel der Feigen, der »Lauwarmen« (Jesus sagt: »Ich möchte sie ausspeien aus meinem Munde. Sei heiß oder kalt«), die ständig Angst haben vor den Konsequenzen ihres Handelns und der Verantwortung, die sie dadurch auf sich nehmen müssen. Doch der Kompromiß ist niemals eine Lösung, denn er stellt weder das absolute Gleichgewicht zwischen zwei Polen dar, noch hat er die Kraft zu einen. Der Kompromiß bedeutet Dauerzwist und somit Stagnation. Militärisch ist es der Stellungskrieg (vgl. Ersten Weltkrieg), der weiterhin Energie und Material verbraucht und damit alle anderen Bereiche wie Wirtschaft, Kultur usw. erheblich schwächt bzw. lahmlegt.
Im psychischen Bereich entspricht der Chronifizierung der Dauerkonflikt. Man bleibt im Konflikt stecken und findet weder Mut noch Kraft, eine Entscheidung herbeizuführen. Jede Entscheidung kostet Opfer, wir können eben gleichzeitig nur das eine oder das andere tun , und diese notwendigen Opfer flößen Angst ein. So erstarren viele Menschen in der Mitte ihres Konfliktes, unfähig, dem einen oder dem anderen Pol zum Siege zu verhelfen. Ständig wägen sie ab, welche Entscheidung die richtige und welche die falsche sei, ohne zu begreifen, daß es richtig und falsch im abstrakten Sinne nicht gibt, denn um einmal heil zu werden, brauchen wir ohnehin beide Pole, doch können wir sie innerhalb der Polarität nicht gleichzeitig, sondern nur nacheinander verwirklichen also fangen wir mit einem an, entscheiden wir uns!
Jede Entscheidung befreit. Der chronifizierte Dauerkonflikt aber zieht nur ständig Energie ab, was auch psychisch zur Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit bis zur Resignation führt. Wenn wir uns aber zu einem Pol des Konfliktes durchringen, spüren wir schnell die dadurch freiwerdende Energie. Wie der Körper gestärkt aus der Infektion hervorgeht, so geht auch die Psyche gestärkt aus jedem Konflikt hervor, denn durch die Auseinandersetzung mit dem Problem hat sie gelernt, hat durch die Beschäftigung mit den zwei widerstrebenden Polen in sich ihre Grenzen erweitert und ist somit bewußter geworden. Aus jedem durchlebten Konflikt ziehen wir als Gewinn eine Information (Bewußtwerdung), die analog der spezifischen Immunität den Menschen befähigt, in Zukunft mit dem gleichen Problem auf ungefährliche Weise umzugehen.
Jeder durchlebte Konflikt lehrt überdies den Menschen auch, überhaupt mit Konflikten besser und mutiger umzugehen, was der unspezifischen Immunität im Körper entspräche. So wie auf der Körperebene jede Lösung hohe Opfer, besonders auf der Gegenseite, fordert, so muß auch die Psyche bei der Entscheidung reichlich Opfer bringen:
Da müssen so manche bisherigen Anschauungen und Meinungen, manche liebgewonnenen Lebenshaltungen und manche vertrauten Gewohnheiten dem Tode überantwortet werden. Doch alles Neue setzt den Tod des Alten voraus. So, wie größere Entzündungsherde im Körper häufig Narben zurücklassen, so bleiben auch in der Psyche manchmal Narben zurück, die wir dann rückblickend als Erinnerungen an tiefe Einschnitte in unserem Leben betrachten.
Früher wußten alle Eltern, daß ein Kind nach einer durchstandenen Kinderkrankheit (alle Kinderkrankheiten sind Infektionskrankheiten) einen Reifungs- bzw. EntwickIungssprung gemacht hat. Das Kind ist nach einer Kinderkrankheit nicht mehr das gleiche wie vorher. Die Krankheit hat es im Sinne der Reifung gewandelt. Doch nicht nur Kinderkrankheiten lassen reifen. So, wie der Körper aus jeder überstandenen Infektionskrankheit gestärkt hervorgeht, geht der Mensch aus jedem Konflikt reifer hervor. Denn nur Herausforderungen machen stark und tüchtig. Alle großen Kulturen entstanden durch hohe Herausforderungen, und selbst Darwin führte die Entwicklung der Arten auf die gelungene Bewältigung der Umweltbedingungen zurück ... . mit diesem Hinweis ist der Darwinismus nicht gleichzeitig akzeptiert!).
»Der Krieg ist der Vater aller Dinge«, sagt Heraklit, und wer diesen Satz recht versteht, weiß, daß dieser Ausspruch eine der fundamentalsten Weisheiten ausdrückt. Der Krieg, der Konflikt, die Spannung der Pole liefern die Energie des Lebens und sichern so allein den Fortschritt und die Entwicklung. Solche Sätze klingen gefährlich und mißverständlich in einer Zeit, in der die Wölfe Schafspelze angelegt haben und in dieser Kostümierung ihre verdrängten Aggressionen als Friedensliebe präsentieren.
Es geschah mit Absicht, daß wir die Entwicklung der Entzündung Schritt für Schritt mit der Ebene des Krieges verglichen haben, denn dadurch bekommt unser Thema jene Schärfe, die vielleicht verhindern kann, daß das Gesagte zu schnell mit kopfnickendem Einverständnis überlesen wird. Wir leben in einer Zeit und einer Kultur, die bis ins Extrem konfliktfeindlich sind. Auf allen Ebenen versucht man, den Konflikt zu vermeiden, ohne dabei zu bemerken, daß diese Einstellung sich gegen jede Bewußtwerdung wendet. Zwar ist es den Menschen nicht möglich, innerhalb der polaren Welt Konflikte durch funktionale Maßnahmen zu vermeiden, doch führen gerade deshalb solche Versuche zu immer komplizierteren Verschiebungen der Entladungen auf anderen Ebenen, deren innere Zusammenhänge kaum noch jemand überblickt.
Unser Thema, die Infektionskrankheit, ist dafür ein gutes Beispiel. Zwar haben wir in der obigen Darstellung die Struktur des Konfliktes und die Struktur der Entzündung parallel betrachtet, um deren Gemeinsamkeit zu erkennen, jedoch laufen beide gerade nicht (oder nur selten) parallel im Menschen ab. Vielmehr ersetzt die eine Ebene die andere im Sinne des Entweder-Oder. Gelingt es einem Impuls, die Abwehr des Bewußtseins zu durchdringen und dadurch einem Menschen einen Konflikt bewußt zu machen, so findet der skizzierte Prozeß der Konfliktbearbeitung allein in der Psyche des Menschen statt, und es kommt in der Regel zu keiner somatischen Infektion. Öffnet sich der Mensch jedoch nicht für den Konflikt, indem er alles abwehrt, was seine künstlich aufrechterhaltene heile Welt in Frage stellen könnte, dann stürzt der Konflikt in die Körperlichkeit und muß als Entzündung auf der somatischen Ebene durchlebt werden.
Die Entzündung ist der Konflikt auf der stofflichen Ebene. Man sollte daher nicht den Fehler machen, seine Infektionskrankheiten oberflächlich zu betrachten, um zu dem Schluß zu kommen, »da hatte ich doch gar keine Konflikte«. Gerade dieses Nichtsehen des Konfliktes führt ja zur Erkrankung. Für eine solche Hinterfragung braucht es größere Mühe als nur einen flüchtigen Blick, es bedarf einer entlarvenden Ehrlichkeit, die der Psyche meistens so viel Unbehagen verschafft, wie die Infektion dem Körper. Gerade dieses Unbehagen wollen wir aber immer vermeiden.
Es ist richtig, Konflikte tun immer weh egal, auf welcher Ebene wir sie erleben, sei es Krieg, innerer Widerstreit, Krankheit, schön sind sie nie. Doch das Schön oder Nichtschön ist keine Ebene, auf der wir argumentieren dürfen, denn wenn wir uns einmal eingestehen, daß wir nichts vermeiden können, stellt sich diese Frage gar nicht mehr.

Wer sich eben nicht erlaubt, psychisch zu explodieren, bei dem explodiert es im Körper (Abszeß) , kann man da noch die Frage nach schöner oder besser stellen? Krankheit macht ehrlich!
Ehrlich sind letztlich auch all die hochgelobten Bemühungen unserer Zeit, Konflikte auf allen Ebenen zu vermeiden. Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten sehen wir wohl auch die bisherigen erfolgreichen Bemühungen bei der Bekämpfung der Infektionskrankheiten im neuen Licht. Der Kampf gegen Infektionen ist der Kampf gegen Konflikte auf der stofflichen Ebene. Ehrlich war hierbei auf jeden Fall die Namensgebung der Waffen: Antibiotika. Dieses Wort setzt sich zusammen aus den beiden griechischen Wörtern anti = gegen und bios = das Leben. Antibiotika sind demnach »Stoffe, die gegen das Leben gerichtet sind« das ist Ehrlichkeit!
Diese Lebensfeindlichkeit der Antibiotika stimmt auf zwei Ebenen. Wenn wir uns daran erinnern, daß der Konflikt der eigentliche Motor der Entwicklung, das heißt des Lebens, ist, dann ist jede Unterdrückung eines Konfliktes gleichzeitig auch ein Angriff auf die Dynamik des Lebens an sich.
Doch auch im engeren medizinischen Sinne sind Antibiotika lebensfeindlich. Entzündungen stellen akute, das heißt aber auch schnelle und aktuelle Problembereinigungen dar, durch die vor allem Toxine über den Eiterprozeß aus dem Körper herausgebracht werden. Werden solche Reinigungsprozesse durch Antibiotika häufig und langfristig unterbunden, müssen die anfallenden Toxine im Körper abgelagert werden (meist im Bindegewebe), was bei überstiegener Kapazität zur cancerösen Entwicklung ausartet. Es entsteht der Mülleimereffekt: Man kann den Mülleimer entweder häufig entleeren (Infektion) oder aber so lange Müll sammeln, bis das im Müll entstandene Eigenleben das ganze Haus gefährdet (Krebs). Antibiotika sind Fremdstoffe, die der Betroffene nicht durch eigene Mühe erarbeitet hat, sie betrügen ihn deshalb um die eigentlichen Früchte seines Krankseins: den durch Auseinandersetzung erarbeiteten Lerngewinn.
Unter diesem Blickwinkel sollte man auch das Thema »Impfung« kurz betrachten. Wir kennen zwei grundsätzliche Arten der Impfung: die aktive und die passive Immunisierung. Bei der passiven Immunisierung werden Abwehrstoffe verabreicht, die in anderen Körpern gebildet wurden. Zu dieser Form der Impfung greift man, wenn eine Krankheit bereits ausgebrochen ist (z.B. Tetagam gegen den Tetanuserreger). Auf der psychischen Ebene entspräche dem die Übernahme von fertigen Problemlösungen, Geboten und Moralvorschriften. Man schlüpft in fremde Patentrezepte und meidet damit jede eigene Auseinandersetzung und Erfahrung; ein bequemer Weg, der kein Weg ist, da ihm die Bewegung fehlt.
Bei der aktiven Immunisierung werden geschwächte (entschärfte) Erreger verabreicht, damit der Körper aufgrund dieses Reizes selbst Antikörper bilden kann. Unter diese Form fallen alle prophylaktischen Impfungen, wie Polioschluckimpfung, Pockenimpfung, Tetanol zur Tetanusprophylaxe usw. Dieser Methode entspricht im psychischen Bereich das Üben von Konfliktlösungen in harmlosen Situationen (militärisch: Manöver). Viele pädagogische Bemühungen und auch die meisten Gruppentherapien fallen in diesen Bereich. In entschärften Situationen sollen Konfliktlösungsstrategien erlernt und erworben werden, die den Menschen befähigen, mit ernsten Konflikten bewußter umgehen zu können.
Alle diese Überlegungen sollten nicht als Rezepte mißinterpretiert werden. Es geht nicht um die Frage, »ob man sich impfen lassen darf oder nicht« oder »ob man niemals Antibiotika verwenden darf«. Es ist letztlich völlig gleichgültig, was man tut solange man weiß, was man tut! Bewußtsein heißt unser Anliegen, nicht fertige Ge- oder Verbote.

Es stellt sich wohl noch die Frage, ob das körperliche Krankheitsgeschehen grundsätzlich in der Lage ist, einen psychischen Prozeß zu ersetzen. Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leicht, da die gedankliche Trennung von Psyche und Körper nur ein theoretisches Hilfsmittel ist, in der Realität aber niemals so eindeutig getrennt erlebt werden kann. Denn was auch immer im Körper abläuft und geschieht, erleben wir immer auch in unserem Bewußtsein, in der Psyche. Wenn wir uns mit einem Hammer auf den Daumen schlagen, sagen wir: Der Daumen tut weh. Das ist jedoch nicht ganz richtig, denn der Schmerz ist ausschließlich im Bewußtsein, nicht im Daumen. Wir projizieren lediglich die psychische Empfindung »Schmerz« auf den Daumen.
Gerade weil der Schmerz ein Bewußtseinsphänomen ist, können wir ihn so gut beeinflussen: durch Ablenkung, Hypnose, Narkose, Akupunktur. (Wer obige Behauptung für überspitzt hält, möge sich bitte an das Phänomen des Phantomschmerzes erinnern!) Alles, was wir in einem körperlichen Krankheitsprozeß erleben und durchleiden, geschieht ausschließlich in unserem Bewußtsein. Die Unterscheidung »psychisch« oder »somatisch« bezieht sich lediglich auf die Projektionsfläche. Ist jemand krank vor Liebe, so projiziert er seine Empfindungen auf etwas Nichtkörperliches, nämlich Liebe, während ein an Angina Erkrankter seine Empfindungen auf seinen Hals projiziert, doch leiden können beide nur in ihrer Psyche. Die Materie und somit auch der Körper kann immer nur als Projektionsfläche dienen, ist selbst aber niemals ein Ort, wo ein Problem entstehen, und deshalb auch kein Ort, wo ein Problem gelöst werden kann. Als Projektionsfläche kann der Körper ein ideales Hilfsmittel zur besseren Erkenntnis darstellen, doch die Lösungen kann nur das Bewußtsein finden. So stellt jeder körperliche Krankheitsverlauf lediglich eine symbolische Problembearbeitung dar, deren Lerngewinn das Bewußtsein befruchten soll. Das ist auch der Grund, warum jede durchlebte Krankheit einen Reifeschritt nach sich zieht.
So entsteht ein Rhythmus zwischen körperlicher und psychischer Bearbeitung eines Problems. Kann ein Problem im Bewußtsein allein nicht gelöst werden, so wird der Körper als materielles Hilfsmittel eingesetzt, in dem das ungelöste Problem in symbolischer Form dramatisiert wird. Der dabei gewonnene Lerneffekt wird nach überstandener Krankheit an die Psyche zurückgegeben. Gelingt es nun der Psyche trotz der gewonnenen Erfahrungen immer noch nicht, das Problem zu begreifen, sinkt es erneut in die Körperlichkeit, damit weitere praktische Erfahrungen gesammelt werden können. (Nicht umsonst bezeichnen Begriffe wie begreifen und verstehen sehr konkrete Körperhaltungen!) Dieser Wechsel wird so lange wiederholt, bis die gemachten Erfahrungen das Bewußtsein befähigen, das Problem oder den Konflikt endgültig zu lösen.
Diesen Vorgang können wir uns durch folgendes Bild verdeutlichen: Ein Schüler soll Kopfrechnen lernen. Wir stellen ihm eine Aufgabe (Problem). Kann er sie im Kopf nicht lösen, drücken wir ihm zur Hilfe ein Rechenbrett in die Hand (Materie). Er projiziert nun das Problem auf das Rechenbrett und kann durch diesen Umweg das Problem lösen (und zwar auch im Kopf). Wir geben ihm danach eine weitere Aufgabe, die er wieder ohne Rechenbrett lösen soll. Gelingt es nicht, bekommt er erneut das Hilfsmittel und dies so lange, bis er schließlich auf sein Rechenbrett verzichten kann, da er die Aufgaben nun im Kopf rechnen kann ohne materielle Hilfsmittel. Gerechnet wird letztlich immer im Kopf, niemals auf dem Rechenbrett aber die Projektion des Problems auf die sichtbare Ebene erleichtert den Lernprozeß.
Ich stelle diesen Punkt deshalb so ausführlich dar, weil aus dem wirklichen Begreifen dieses Zusammenhangs zwischen Körper und Psyche eine Konsequenz folgt, die wir gar nicht für selbstverständlich halten: daß nämlich der Körper nicht der Ort ist, wo ein Problem gelöst werden kann! Die gesamte Schulmedizin geht jedoch gerade diesen Weg. Alle blicken fasziniert auf das Körpergeschehen und versuchen, das Kranksein auf der Körperebene zu lösen.
Doch hier gibt es gar nichts zu lösen. Das wäre genauso wie der Versuch, bei jeder Lösungsschwierigkeit unseres Schülers das Rechenbrett umzubauen. Menschsein findet im Bewußtsein statt und spiegelt sich im Körper. Ständig den Spiegel zu polieren, verändert nicht den, der sich darin spiegelt. (Gebe Gott, es wäre so einfach!) Wir sollten aufhören, im Spiegel Ursache und Lösung aller reflektierten Probleme zu suchen, sondern sollten den Spiegel benutzen, um uns selbst zu erkennen.

Infektion - ein stofflich gewordener Konflikt

Wer zu Entzündungen neigt, versucht, Konflikte zu vermeiden.

Bei einer infektiösen Erkrankung sollte man sich folgende Fragen stellen:
1. Welchen Konflikt in meinem Leben sehe ich nicht?
2. Welchem Konflikt weiche ich aus?
3. Welchen Konflikt gestehe ich mir nicht ein?
Um das Thema des Konfliktes zu finden, sollte man die Symbolik des betroffenen Organs oder Körperteils genau beachten.